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Kommunale Wärmewende: Energiegenossenschaften stärken Region und Demokratie

02.02.2024

Genossenschaftstag Weser-Ems: Rund 100 Teilnehmende informierten sich und diskutierten in Rastede über das Thema Energie- und Wärmewende. Städte und Gemeinden stehen vor komplexen Herausforderungen.


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Waren sich einig, dass Energiegenossenschaften einen wichtigen Beitrag zur Energie- und Wärmewende leisten können (von links): Paulina Mayer, Tobias Averbeck, Bastian Hoffman, Cathrin Westermann, Johannes Freundlieb, Ulli Mitterer, Jan Hoyer, Prof. Dr. Paula Bögel und Jonas von Obernitz.

Die kommunale Wärmewende als ein Schlüsselinstrument für den regenerativen und klimaneutralen Umbau unserer Energieversorgung rückt angesichts gesetzlicher Vorgaben zunehmend in den Fokus von Städten und Gemeinden. „Die Wärmewende ist eine große Herausforderung und es gilt dabei, die lokalen Ressourcen zu nutzen und die regionale Wertschöpfung zu erhöhen“, sagte Johannes Freundlieb, Verbandsdirektor des Genossenschaftsverbands Weser-Ems (GVWE), auf dem Genossenschaftstag mit dem Thema „Genossenschaftliche Lösungen für die Energie- und Wärmeplanung in Kommunen“ in dieser Woche in Rastede vor rund 100 interessierten Vertreter:innen, darunter Bürgermeister:innen, Leiter:innen von Planungs-, Bau- und Umweltämtern, Klimaschutzmanager:innen sowie weiteren Vertreter:innen von Energiegenossenschaften, Banken, Versicherungen, Verbänden und Wissenschaftseinrichtungen.

Aktive Teilhabe und demokratische Mitgestaltung
Die Veranstaltung wurde gemeinsam mit dem Oldenburger Energiecluster (OLEC) ausgerichtet. Die hochkarätigen Referent:innen gaben einen umfassenden Einblick in die vielfältige Welt der genossenschaftlichen Energieversorgung: Von Gesetzgebung und Förderrichtlinien über den Prozess der Akteursbeteiligung und weiteren Möglichkeiten zur Gestaltung einer inklusive Energiewende bis hin zu genossenschaftlichen Konzepten, Best-Practice-Einblicken und technologischen Innovationen. Sie waren sich einig, dass Energiegenossenschaften einen wichtigen Beitrag dazu leisten können, dass die Energie- und Wärmewende gelinge.

Insbesondere ermöglichten Energiegenossenschaften eine umfassende gesellschaftliche Teilhabe und die aktive und demokratische Mitgestaltung von Bürger:innen an der „Energieversorgung der Zukunft“, sagte Freundlieb. Die verschiedenen Referenten:innen betonten, dass sich dazu aber die gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie die finanziellen Fördermöglichkeiten verbessern müssten. In den Vorträgen und Diskussionen wurde deutlich, dass auch die Energiegenossenschaften selbst professionellere Strukturen benötigten. Die vielfach durch ehrenamtliches Engagement getragenen genossenschaftlichen Unternehmen würde aufgrund der Komplexität und Größe der Projekte immer schneller an ihre Grenzen stoßen. In Weser-Ems gibt es 70 dieser Energiegenossenschaften. Diese sind vor allem im Bereich Photovoltaik und wenige auch in der Windkraft und Biomasse engagiert.  

Energiewende spaltet derzeit Gesellschaft
Dabei sei vor allem die gesellschaftliche Akzeptanz für die Energie- und Wärmewende ein wichtiger Faktor, betonte Professorin Dr. Paula Bögel von der Universität Vechta. Die Leiterin der Stiftungsprofessur „Transformationsmanagement in ländlichen Räumen“ sagte, dass die Energiewende „nur gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürger“ gelingen könne. Derzeit sorge die Energiewende aber für eine gesellschaftliche Polarisierung und Spaltung. Bestes Beispiel seien das „Heizungsgesetz“. Diese Entwicklung verstärke auch die Entdemokratisierung. Dem müsse die Politik entgegenwirken. Die Kommunen hätten bei der Wärmeplanung die Aufgabe, entsprechende Transformationsprozesse auf eine breite Basis zu stellen und damit ein kollektives Handeln zu stärken. Die „Wärmewende in Bürgerhand“, so Professorin Bögel, hätte für Kommunen und deren Einwohner große Vorteile: „Dazu müssen alle Beteiligten aber jetzt Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen, um die Rahmenbedingungen für mehr Bürgerbeteiligung noch positiv zu beeinflussen.“

Bakum: „Energieversorgung der Zukunft“
Wie die „Energieversorgung der Zukunft“ in der Praxis aussehen kann, beschrieben Tobias Averbeck, Bürgermeister der Gemeinde Bakum, und Jan Hoyer, Vorstandsvorsitzender der Energiegenossenschaft Bakum eG. Das 7000-Einwohner-Dorf im Landkreis Vechta nutzt Sonne, Wind und Biomasse intensiv. Das gelte für die Bürger:innen und die Gemeinde selbst mit ihren verschiedenen Gebäuden. Der Selbstversorgungsgrad liege weit über 100 Prozent. Die Akzeptanz und Teilhabe der Menschen sei sehr hoch. Dies habe man auch der genossenschaftlichen Mitgestaltung zu verdanken, die sich derzeit auf den Windpark konzentriert, bei dem die Energiegenossenschaft Bakum eine 30-prozentige Beteiligung halte.

Es sei jedoch eine Ausweitung des genossenschaftlichen Engagements geplant, sagte Vorstand Hoyer: „Bei künftigen Projekten streben wir eine Mehrheitsbeteiligung von jeweils 51 Prozent an.“ Dies ermögliche umfassende Gestaltungsmöglichkeiten und eröffne gleichzeitig die Beteiligung von weiteren Investoren. Diese müssten allerdings die genossenschaftlichen Spielregeln mittragen. So sei der Ausbau des Fernwärmenetzes geplant und auch der Einsatz von Geothermie werde geprüft. Voruntersuchungen hätten ergeben, dass die Erdwärme in Bakum sehr gut nutzbar sei und ein großes Potenzial berge, so Bürgermeister Averbeck: „Dabei müssen wir angesichts der millionenschweren Investitionen aber sehr genau überlegen, ob und wie das Sinn macht.“

Wärmewende muss bis 2045 gelingen
Paulina Mayer
vom Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende (KWW) der Deutschen Energie-Agentur (dena) in Halle erläuterte, dass die Wärmewende bis 2045 gelingen müsse. Derzeit seien bis auf wenige Ausnahmen Städte und Gemeinden noch in der Planungsphase. Das KWW unterstütze die Kommunen und berate auch bei der Umsetzung der Planung. Dabei könnten die Organisation und Prozesse sehr unterschiedlich gestaltet werden. Mayer betonte, dass der Wärmesektor mit rund 60 Prozent des Energieverbauchs den größten Hebel für die Energiewende darstelle: „Es ist aber auch das komplexeste Instrument.“ Dabei gebe es nicht die eine Lösung, sondern die rund 10.700 Kommunen in Deutschland müssten die Wärmewende individuell gestalten. Dies sorgte bei den Zuhörenden für Diskussion, in der auch die Einrichtung einer übergeordneten (staatlichen) Einrichtung ins Spiel gebracht wurde, um die Kommunen zu entlasten. Zudem stünden die derzeitigen Auflagen einer schnellen Umsetzung der Wärmeplanung noch teilweise im Weg.

Energiegenossenschaften brauchen mehr Professionalität
Jonas von Obernitz
von der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbands betonte, dass das Potenzial für Energiegenossenschaften hoch sei. Derzeit lieferten diese rund 3 Prozent des Stroms in Deutschland. Um mehr genossenschaftliche Energie zu erzeugen, seien aber auch professionellere Strukturen in den Energiegenossenschaften selbst notwendig. In diesem Zusammenhang zeigte der GVWE-Unternehmensberater Ulli Mitterer, welche genossenschaftlichen Konzepte zur dezentralen Energieversorgung aktuell bestehen. Darüber hinaus erläuterte Bastian Hoffmann, Vorstand der IngenieurNetzwerk Energie eG (iNeG), gelte es auch die technologischen Aspekte mit einer hohen Expertise zu gestalten, wie er im Rahmen seines Vortrags zur zielgerichtete Potenzialermittlung und umsetzungsorientierten Maßnahmenplanung erklärte.

Cathrin Westermann, GVWE-Nachhaltigkeitsmanagerin und Organisatorin sowie Moderatorin des Genossenschaftstags, und Verbandsdirektor Freundlieb betonten, dass die Wärmewende eine große gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche und technologische Herausforderung darstelle: „Wir hoffen, dass wir die Sinne bei den Kommunen dafür schärfen konnten und dass sich bei der Ausgestaltung genossenschaftliche Lösungen etablieren können.“